Michael Engler erklärt in einer Schulung anhand einer Abbildung den Begriff Usability.

UX und Usability für Medizinprodukte

User Experience (UX) und Usability sind für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika in Bezug auf drei Aspekte wichtig:

Sicherheit in der Nutzung gewährleisten und damit regulatorische Anforderungen erfüllen
Gewinne steigern und Kosten reduzieren
Patienten-Compliance erhöhen

Sicherheit in der Nutzung gewährleisten und regulatorische Anforderungen erfüllen

Die sichere Nutzung von Medizinprodukten zu gewährleisten ist Ziel der Medical Device Regulation (MDR (EU) 2017/745) und der In Vitro Diagnostic Medical Devices Regulation (IVDR (EU) 2017/746). Beide Gesetze zielen ab auf die Vermeidung von Nutzungsfehlern (Use Errors) und Nutzungsschwierigkeiten (Use Difficulties) durch Usability Engineering im Entwicklungsprozess und in der Post-Market Surveillance (Marktbeobachtung). Auch die amerikanische Food & Drug Administration (FDA) als Regulierungsbehörde für Medizinprodukte sieht dies als einen wichtigen Aspekt der Entwicklung von Medizinprodukten im Rahmen der Design Control (21 CFR Part 820.30) an.

Hierzu gibt es eine international anerkannte Normenfamilie: Die IEC 62366. Diese hat zurzeit zwei Teile:

IEC 62366-1:2015+AMD1:2020 Medical devices — Part 1: Application of usability engineering to medical devices enthält die normativen Anforderungen an die Produktentwicklung
IEC/TR 62366-2:2016 Medical devices — Part 2: Guidance on the application of usability engineering to medical devices enthält Erklärungen, wie die normativen Anforderungen umgesetzt werden können, und darüber hinaus Informationen, wie Usability Engineering einen Mehrwert in der Produktentwicklung erzeugen kann.

Die FDA hat eine Vielzahl von Dokumenten, die das Thema Human Factors– im Sprachgebrauch der FDA der Begriff für Usability Engineering – adressieren. Eines sticht jedoch heraus:

FDA Guidance Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, vom 03.02.2016

In diesem Dokument beschreibt die FDA ihre Erwartungen, wie gutes Human Factors Engineering funktionieren soll. Diese Anforderungen fordern ein deutlich höheres Niveau an Human Factors Engineering als Benannte Stellen in Europa erwarten.

In diesem Dokument beschreibt die FDA ihre Erwartungen, wie gutes Human Factors Engineering und Usability Engineering funktionieren soll. Diese Anforderungen fordern ein deutlich höheres die Aktivitäten als Benannte Stellen in Europa erwarten.

Von der britischen MHRA gibt es auch ein eigenes Guidance Dokument, das aus der Zeit vor dem Brexit stammt. Dieses Dokument hatte bislang eine geringe Bedeutung, die jedoch jetzt zunimmt, da die MHRA diese Anforderungen im Rahmen des UKCA mark erfüllt sehen möchte:

Guidance on applying human factors and usability engineering to medical devices including drug-device combination products in Great Britain

Inhaltlich enthält das Dokument teilweise Forderungen, die über die normativen Anforderungen der IEC 62366-1:2015+AMD1:2020 hinausgehen. Auch hier wird ein deutlich höheres Niveau an das Usability Engineering angesetzt, als dies im CE-Raum der Fall ist. Das Dokument wurde 2021 aktualisiert und ist somit an die neue Situation des UKCA mark angepasst.

Für weitere Informationen siehe auch:

Gewinne steigern und Kosten reduzieren

Die nachhaltige Gestaltung der User Experience (UX) und der Usability eines Medizinproduktes ermöglicht es dem Produktmanagement, Produkte zu entwickeln, deren hohe Qualität für Nutzer sofort erfahrbar und erlebbar ist. UX und Usability steigern die Effizienz und den Gewinn: Aus Sicht einer Entwicklungsabteilung kann UX und Usability Zeit und damit Kosten sparen, weil früh im Entwicklungsprozess Feedback zum Produkt von potenziellen Nutzern eingeholt wird. Dadurch lassen sich teure Schleifen am Ende der Entwicklung vermeiden. Zudem lassen sich die Kosten über den Lebenszyklus eines Produktes hinweg reduzieren, da für Produkte mit exzellenter UX und Usability weniger Training und Einarbeitung nötig ist. Oder das Produkt wird durch die exzellente UX und Usability überhaupt erst für Patienten selbst in einer Homecare-Umgebung nutzbar. Dadurch werden Fahrten zu und Aufenthalte in Krankenhäusern und Arztpraxen überflüssig.

Siehe auch:

UX und Usability Engineering
Kontextanalyse als Grundlage für Design Input
Industriedesign und UI-Design

Patienten-Compliance erhöhen

Ein Produkt, das man gern nutzt, gebraucht man häufiger und länger. Für die Therapietreue und Adhärenz der Patienten ist insbesondere bei Produkten, die durch die Patienten selbst angewendet werden (Homecare), eine gute User Experience (UX) wichtig. Diese Menschen wollen sich beispielsweise nicht in allen Lebenslagen stigmatisiert und krank fühlen. Hier gilt es, mit einem tiefgreifenden Verständnis der Patientenbedürfnisse alltagstaugliche Lösungen und Gestaltungen zu finden, die über medizinische und andere Notwendigkeiten hinaus ästhetisch ansprechend sind.

Nicht zuletzt sollen digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa) Verhaltensänderungen beim Patienten unterstützen. Dazu müssen entsprechende Konzepte aus der Verhaltensforschung und Verhaltenstherapie sinnvoll integriert und nicht nur aus klinischer, sondern auch aus User Experience Sicht evaluiert werden.

Siehe auch:

UX und Usability Engineering
Kontextanalyse als Grundlage für Design Input
Industriedesign und UI-Design

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